Der ICE fährt langsam in den Hauptbahnhof Aachen ein und ich bin am Ziel meiner Reise. Endlich öffnen sich die Türen und als versierter Bahnfahrer bugsiere ich meinen Koffer aus dem Zug. Doch das geht diesmal schneller als gedacht. Mit einem lauten Krachen landet dieser vor den Füßen der wartenden Fahrgäste auf dem Bahnsteig. Ich halte nur noch erschrocken den Griff in meinen Händen.

Nach vielen tausend Kilometern gemeinsamer Reisen, hatte nun mein treuer Gefährte seinen Dienst quittiert.

Doch das Leben muss weitergehen und der Koffer muss rollen. Am nächsten Tag wurde mir die Galeria Kaufhof in Aachen als erste Adresse für den Kauf eines neuen Koffers empfohlen. Also nix wie hin. Auf in die lebendige Innenstadt. Diesmal nicht auf der Jagd nach den besten Printen oder leckersten Schokoladenmöppchen, sondern zielstrebig ins Kaufhaus zum Kofferkauf.

Dort angekommen irrte ich einigermaßen orientierungslos umher und wurde lässig routiniert vom Kaufhauspersonal ignoriert. Koffer von Rimowa waren nur in Farben vorrätig, welche mir umgehend Kopf- und Augenschmerz bereiteten. Trotzdem rollte ich demonstrativ zwei, drei dieser „Luxus-Koffer“ interessiert hin und her und betrachtete ausgiebig deren Innenleben.

Doch meine Strategie, den Kauf eines teuren Koffers vorzutäuschen lief ins Leere. Ich wurde weiterhin professionell ignoriert.

Endlich entdeckte ich den Bruder meines treuen Gefährten. Ein megaleichter, silbergrauer Samsonite Spinner mit guten Rollen. Da ich noch einen kompletten Satz Ersatzrollen für genau einen solchen Koffer zu Hause im Keller liegen hatte, war die Kaufentscheidung schnell getroffen. Ein kurzer Blick auf das Preisschild, ein Schock und dann im Bewusstsein mit diesem Kauf etwas für den Einzelhandel und belebte Innenstädte zu tun, zur Kasse.

Die war sogar besetzt, dort konnte der mündige Kunde, welcher sich selbständig und erfolgreich durch das Warenangebot gearbeitet hatte, sein Geld abliefern.

Blitzgedanke – Barcoo-App – Barcode scannen und Preischeck machen.  Schock: Kaufpreis bei Galeria Kaufhof 475,- Euro, Kaufpreis bei Amazon Prime 250,- Euro. 100 % der gleich Koffer. Die gleiche Größe, das gleiche Modell, die gleiche Produktnummer.

Einmal aufs iPhone tippen, direkt zu Amazon weiterleiten und mit „1-Click-Kauf“ den Erwerb des neuen Koffers erfolgreich abschließen.

Zur Feier des Tages gab es die doppelte Portion weicher Schokoladenmöppchen und es war mir eine Freude für 220 gesparte Euro ein letztes Mal die Heimreise mit meinem grifflosen alten Gefährten anzutreten.

Nicht Amazon ist Schuld am Untergang des deutschen Einzelhandels, denn der schafft sich jammernd und uninnovativ selbst ab. Sollte das jemals zu menschenleeren Innenstädten führen, werden sich kreative Unternehmen mit frischen Ideen und neuem Engagement finden, um auch dieses Problem zu lösen.